Nun bin ich also seit über 20 Jahren Texter und Kommunikations-Fuzzi in der Werbung.

Davor war ich Plantagenarbeiter, Grobschlosser, Maschinenbauer, Soldat, Düsenjägermechaniker, Umweltschutztechniker, Berufskraftfahrer, Türsteher, Privatdetektiv und Whale-Watching-Guide. Dann entschied ich mich zu schreiben. Mit meinem technischen Hintergrund sah ich mich in der technischen Dokumentation. Aber es kam anders.

Meine Marketing-Dozentin entdeckte mich auf der Redakteursschule und stellte mich meinem späteren Chef und Bro vor. Ich nahm aber noch mal Reißaus und ging als Praktikant ins Marketing einer großen und (eigentlich) coolen Softwarefirma. Die verkaufte teure Software an die großen Zeitungsverlage in aller Welt.

Im Marketing konnte man mir nicht viel darüber sagen. Und die Entwickler saßen im Elfenbeinturm. Die durfte man nicht ansprechen. Die Bibel der Branche hieß „Der Deutsche Drucker”. Deren Redaktion saß auf einem sehr hohen Roß. Aber auf einmal bekamen wir die Chance, einen fetten Artikel dort zu lancieren. Ausgerechnet ich sollte den schreiben, meinte der Vertriebsdirektor. Leider wusste ich immer noch nicht viel über den Laden.

Ich fand einen Weg und bekam eine Audienz im Elfenbeinturm. Der Oberprogrammierer sah aus wie ein Rockstar: Blass, verkifft, lange Haare, Bart – rote Augen. Ich stellte ihm meine naiven Fragen: Was ist es, was kann es – und was haben unsere Kunden davon? Er fand die Fragen bemerkenswert, gerade so, als hätte sie noch nie jemand gestellt. Er sinnierte lange.

Drei Tage später lieferte ich einen dreieinhalb-seitigen Artikel beim Deutschen Drucker ab. Die veröffentlichten ihn – und er schlug in der Szene ein. Plötzlich wussten alle, was wir eigentlich machten – sogar die eigenen Leute im Haus. Und man fragte: „Wer ist Christian Gosciniak? ER kennt sich aus!” Welch Ironie. Man machte mich zum PR-Referenten.

Nach neun Monaten flog ich – hochgelobt und hochkant – wieder raus. Ich mochte nicht, wie der Ober-Boss mit seinen Leuten umging. Er war Araber, aber anscheinend gibt’s auch unter denen nicht nur feine Menschen. Er erwartete von mir, dass ich einen guten Job mache und ihm in den Arsch krieche. Mit dem analen Teil der Aufgabe war ich nicht einverstanden. Also verlor ich meinen Job.

Ob das eine gute Referenz war, um sich noch mal bei den Münchnern zu melden – da war ich mir nicht sicher. Aber ich entschied mich für die Wahrheit und schrieb ihnen eine Mail: „Sie haben mich rausgeschmissen, Gruß Christian.” Und mein späterer Bro-Boss schrieb zurück „Wir sollten noch mal Essen gehen.” Was dann folgte, hat mein Leben verändert.

In seiner Werbeagentur in München durfte ich ziemlich frei agieren. Immer meinen wohlwollenden Mentor und Coach im Rücken. Bildlich, denn er saß im Glasbüro direkt hinter meinem. Dort rannte ich immer wieder rein und fragte ihn, was er von diesen oder jenen Ideen hielte. Er lächelte dann und antwortete “Was fragst Du mich, mach einfach!” So habe ich in den Jahren irre viel Agenturerfahrung sammeln können. Sozusagen unter Idealbedingungen. Er hat von Anfang an mich geglaubt. Ihm habe ich serh viel zu verdanken. Auch wenn er das heute bescheiden bestreitet.

Auf meiner Visitenkarte stand damals „Art Director“, aber im Grunde machten wir beide alles. Es war eine coole Zeit. Nach fünf Jahren habe ich mich dann selbständig gemacht. Im Mai werden es 15 Jahre. Es ist ein Geschenk des Himmels, einen Bruder zu haben, mit dem man abwechselnd klein und groß sein kann.